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EZB in Frankfurt. Die Inflationsrate in der Euro-Zone ist im August so hoch ausgefallen wie noch nie zuvor in ihrer Geschichte.

Trotz einer drohenden Rezession erhöhen die Währungshüter den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte. Mit der stärksten Anhebung seit mehr als 20 Jahren möchte die Institution die rekordhohe Inflation eindämmen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins auf 1,25 Prozent angehoben und weitere Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. "Zuletzt sind die Preise für Energie und Lebensmittel extrem angestiegen, gleichzeitig weitet sich die Inflation in viele andere Wirtschaftssektoren aus", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag. "Deshalb mussten wir entschlossen handeln."

Mit ihrem Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten beschloss die Notenbank die stärkste Anhebung seit Einführung des Euro-Bargelds im Jahr 2002. "Inflation ist furchtbar, vor allem für die weniger privilegierten Menschen", sagte Lagarde. Daher wolle man mit dieser Entscheidung ein starkes Signal senden, dass die Notenbank die Inflation bekämpft. "Allerdings kann die EZB nicht die Energiepreise senken. Das müssen andere machen", so Lagarde weiter.

Mit der drastischen Zinserhöhung unterstreichen die Währungshüter ihre Entschlossenheit, die Kreditaufnahme für die Wirtschaft weiter zu verteuern - auch auf die Gefahr hin, dadurch den Wirtschaftsabschwung zu beschleunigen. Schon jetzt sind die Aussichten düster. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel sagte am Donnerstag in seiner Herbstprognose für Deutschland eine Rezession voraus. Die Forscher rechnen für 2023 mit einer Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts um 0,7 Prozent. "Mit den hohen Importpreisen für Energie rollt eine konjunkturelle Lawine auf Deutschland zu", sagte IfW-Vizepräsident Stefan Kooths.

Schon jetzt fahren Unternehmen wegen hoher Energiepreise und fehlender Komponenten vereinzelt ihre Produktion zurück. Manche, wie der Schuhhersteller Görtz und der Papierhersteller Hakle, haben Insolvenz angemeldet. Politiker wie der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez haben die EZB daher aufgefordert, die Zinserhöhungen konjunkturverträglich zu gestalten.

Die Inflationsrate in der Euro-Zone ist im August mit 9,1 Prozent so hoch ausgefallen wie noch nie zuvor in ihrer Geschichte. Für das Gesamtjahr 2022 rechnet die Notenbank mit 8,1 Prozent. Die Euro-Wächter stehen unter Druck, weil sie die Inflationsrisiken zu lange unterschätzt haben. Andere Notenbanken wie die amerikanische Federal Reserve und die Bank of England (siehe Grafik) haben ihre Zinswenden viel früher eingeleitet. Erst im Juli erhöhte der EZB-Rat den Leitzins erstmals seit 2011 - um 0,5 Prozent - und beendete damit die Nullzinspolitik. "Wir haben Fehler bei unseren Prognosen gemacht, aber das haben alle anderen Notenbanken und die meisten Ökonomen auch", sagte Lagarde am Donnerstag.

Der Institution droht ein Vertrauensverlust, denn sie verfehlt ihr selbstgestecktes Inflationsziel von zwei Prozent inzwischen um das Viereinhalbfache. Gleichzeitig frisst sich die Teuerung in fast alle Wirtschaftssektoren. Daher gilt es als sicher, dass die Inflation auch 2023 deutlich über zwei Prozent liegen wird. Die EZB rechnet für das nächste Jahr mit einer Teuerung von 5,5 Prozent.

Je stärker die Menschen daran zweifeln müssen, dass die Inflation mittelfristig wieder auf das normale Maß zurückgeht, desto mehr könnte sich der Preisanstieg verfestigen: Unternehmen verlangen auf Basis dieser Erwartungen sofort höhere Preise für ihre Produkte - und Arbeitnehmer höhere Löhne. "Jetzt kommt es darauf an, dass die EZB ihre Leitzinsen in den kommenden Monaten trotz steigender Rezessionsrisiken auch tatsächlich weiter kräftig anhebt", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Andernfalls, so der Ökonom, drohten die deutlich gestiegenen langfristigen Inflationserwartungen der Bürger zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung zu werden.

Die sozialen Konsequenzen der steigenden Preise sind gravierend, denn vor allem Haushalte mit geringen Einkommen müssen angesichts der massiv steigenden Lebenshaltungskosten um ihre Existenz fürchten. Inflation wirkt zudem wie eine Vermögensteuer auf kleine und große Spareinlagen, die jeden Tag real an Wert verlieren, während viele reiche und superreiche Menschen ihre Vermögen in lukrative Aktien sowie Immobilien investieren.

Die Leitzinserhöhung soll mittelbar auch den Euro-Kurs stabilisieren. Europas Gemeinschaftswährung hat an den Devisenmärkten seit April rund zehn Prozent an Wert verloren. Der Euro notiert inzwischen pari zum Dollar. Die Euro-Schwäche verstärkt den Inflationsdruck in Europa zusätzlich: Weil Rohstoffe wie Öl in Dollar abgerechnet werden, erhöhen sich die Einfuhrkosten entsprechend.

Auch der Häusermarkt ist betroffen: "In der Folge werden jetzt wohl Zinsen für Immobilienkredite weiter steigen und den Druck auf den Wohnimmobilienmarkt erneut erhöhen", sagte Oliver Wittke, Hauptgeschäftsführer des Zentralen Immobilien-Ausschusses, am Donnerstag. Auch für den Markt der Gewerbeimmobilien werde es durch die Leitzinsanhebung "noch einmal schwieriger".

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